Die Beugungs- und Öffnungsbewegungen in den Gelenken der Beine erlauben das Absinken und Aufstreben unseres Schwerpunktes. Ihre Einfachheit und ihre Qualität werden dadurch bestimmt, wie fähig wir sind, in den Gelenken Freiheit einzuladen und den Schwerpunkt und die Schwerkraft wirken zu lassen, während gleichzeitig der Auftrieb durch die Knochen weiter zugelassen wird. Wenn wir die Gelenke freigeben, werden die Knochen zu Hebeln oder Spannleisten, die auf passive Weise in den Muskelfasern der Beine und des Oberkörpers die Qualität von Elastizität und Länge stimulieren. Je besser hier Auftrieb und Schwerkraft miteinander wirken können, desto mehr kann die Bewegung des Beugens und Hockens zu einem Ort werden, an dem wir uns aufhalten können, ohne die Vollständigkeit der verschiedenen Bewegungs-Stadien zu überspringen.
Mit genug innerem Auftrieb in den Beinen können wir auf gemütliche Weise Zwischenstopps in den Beugungs- und Streckungsbewegungen zulassen, während deren unverkrampftes Verharren möglich ist.
Die Grundbewegung der Öffnung der Beingelenke, bei der die Knie nach vorne und die Sitzhöcker nach hinten freigegeben werden, wie sie beim Hocken und Bücken notwendig ist, ist auch Teil der Übungsform, die wir in der Alexander-Technik „Monkey“ (auf deutsch: Affe) nennen.
Die freie Ausführung all dieser drei Aktivitäten unterstützt das ungestörte Zusammenspiel zwischen Oberkörper, Hals und Kopf in der Beugung.
Wenn die verschiedenen Körperteile selbstständig aufeinander balancieren können, entsteht eine Dynamik der Platzierung, die es ermöglicht, die Ausrichtung und den Auftrieb der Wirbelsäule und des Kopfes unbeeinträchtigt von der Vorwärts-Neigung des Beckens und des Oberkörpers in die diagonale Raumdimension (vor/hoch) wirken zu lassen. Wenn dies erreicht ist, können Vorder- und Rückseite des Oberkörpers ihre volle Länge auch in der Vorwärts- und Abwärts-Neigung beibehalten. Dieses selbstständige und unbeeinträchtigte Ausbalancieren der einzelnen Bewegungs- und Körpereinheiten ermöglicht Leichtigkeit und ideale Feinabstimmung in allen Gelenken und Strukturen. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Gelenkfreiheit, der Elastizität des Muskelgewebes und der Tiefe der Beugung, die wir auf entspannte und schmerzfreier Weise zulassen können.
Je mehr wir den Schwerpunkt und die Fersen nach unten und die Sitzhöcker und Knie horizontal in den Raum hineinwirken- und loslassen können, desto leichter wird es, in immer tiefere Beugungen hineinzuschweben, die immer mehr durch Auftrieb und immer weniger durch Muskelkraft gebremst werden können. Das reduziert die Steifheit und erhöht die Geschmeidigkeit und das Wohlbefinden in der Beugung langfristig. Ein weiterer hilfreicher Aspekt für unsere Aufmerksamkeit, um die Bewegung des Hockens und Bückens so wirksam, erfolgreich und angenehm wie möglich zu gestalten, liegt in der Art und Weise, wie wir unsere Arme und Schultern sowie unser Seh-System und die damit verbundene Platzierung von Kopf, Hals und Schultergürtel nutzen. Wie bei allen Aktivitäten, die nach vorne geneigt stattfinden, besteht eine der großen Herausforderungen darin, die Absicht und die Aufmerksamkeit für diese Aktivität von übermäßiger Fixierung auf und Druck durch das zu Erledigende zu befreien und nicht zu erlauben, dass die einzelnen Regionen und Körperteile der selbstständigen und dynamischen Wirkung ihres Schwerpunkt beraubt werden. Alle Bewegungen, die uns aus unserer inneren Balance und unserem Selbstbalancieren herauswerfen, müssen durch übermäßige Beinsteifheit ausgeglichen werden. Innerer Druck, Stress, übermäßige Konzentration und Ziel-Fixiertheit führen in diesen Bewegungen naturgemäß und wenig überraschenderweise zu Ungleichgewicht, das meistens zu Ungunsten der Bewegungsfreiheit und -qualität ausgeglichen wird.
Deshalb ist es ein Paradebeispiel der Alexander-Technik, Wohlbefinden zu verbessern, indem wir üben, die Zielfokussiertheit, beziehungsweise den Fokus absichtlich zu unterbrechen und so neuen Seins- und Handlungsspielraum zu erschließen. Den Handlungsimpulsen und Reaktionsmustern der Augen und Arme nicht zu erlauben, die Bewegung zu beeinträchtigen, ist beispielsweise eine unterhaltsame Übung aus der Abteilung "die Bewegung um der Bewegung willen auszuführen".
Eine andere störende Auswirkung von Zielfixiertheit auf die Bewegungen des sich Bückens und Hockens ist es, das Ende der Bewegung wichtiger als den Prozess zu erachten. Gerade bei Menschen, die Schwierigkeiten innerhalb dieser Bewegungsabläufe haben und versuchen, die schmerzhaften Bewegungsphasen zu vermeiden. Dramatischerweise führen gerade all diese Ideen der Schonung durch eiliges Darüber-Hinweghuschen dazu, dass mehr Verkürzungen und Schmerzen entstehen.
Ein Ausweg hierfür besteht darin, das Bewusstsein für die Gegenrichtungen zu entwickeln und aufrechtzuerhalten. Jede Bewegungsrichtung hat ihre Gegenrichtung. Das bedeutet, dass vieles nach oben strebt, während sich unser Schwerpunkt beim Bücken nach unten bewegt. Genauso strebt vieles nach hinten, während wir uns nach vorne beugen… Unserer Bewegung die Freiheit zu erlauben, all diese Richtungsdynamiken zuzulassen, hilft uns, bequem und mit größtmöglichem inneren Raum, in tiefsten Beugungen zu landen. Knie, Fußgelenke und Hüften können sich in der Bewegung weiter öffnen und unsere Bewegung kann ein Höchstmaß an Spontaeität, Elastizität und Kraft entwickeln. Auf diese Art und Weise unterstützen wir unseren Organismus auch darin, uns die besten Vorschläge und Möglichkeiten für all unsere gewünschten Aktivitäten zu unterbreiten.
Anwendung 1: Bücken
1. Suche Dir einen Platz im Raum aus, an dem Du ungestört bist. Stelle Dich dorthin und beginne auf der Stelle, am Platz loszuspazieren.
2. Lass das Gehen auf der Stelle immer wieder ausklingen und finde einen Weg, wie Du zum Stehen kommst, ohne festzuhalten, so dass die Gelenke beim Stehen offen bleiben können.
3. Bekomme ein Gespür für vorne in Deinen Knien und Zehenspitzen und für hinten in Deinen Fersen und Deinen Sitzhöckern, wann immer Du stehen bleibst (Du kannst durchzählen „Zehen vor“ 1, „Ferse rück“ 2, "Knie vor“ 3, "Sitzhöcker rück" 4).
4. Erlaube jetzt jedes Mal, wenn Du wieder zum Stehen kommst, dass, nachdem Du durchgezählt hast, die volle Höhe in Deinen Beinen entstehen kann, bevor Du die Knie nach vorne und die Sitzhöcker nach hinten in den Raum hinein freigibst, so dass eine kleine Beugung im Fußgelenk, Kniegelenk und Hüftgelenk passieren kann. (Je nachdem, wie radikal Dein Freigeben ist, hat das einen großen Einfluss auf Deine Balance und die Wirkung Deines Schwerpunkts).
5. Erlaube während Du fortfährst, immer tiefere Neigungen durch das Freilassen der Knie und der Sitzhöcker in den Raum hinein zuzulassen, sicherzustellen, dass A: Dein Blick der Bewegung folgt, B: dass Deine Arme dem Oberkörper weiter Auftrieb geben und C: dass Deine Aufrichtung im Oberkörper weiter wirken darf, während sich die Wirbelsäule durch die Neigung des Beckens nach vorne neigt.
(Dadurch bleibt es möglich, dass Oberkörper und Rücken weit und stark bleiben, Hals und Nacken frei sind und der Kopf in unsere geliebte Vorwärts- und Aufwärtsdynamik hinein entlassen wird) / (Je tiefer die Beugung wird, desto größere Auswirkungen hat die Korrekturanweisung, "den Nacken freigeben").
Anwendung 2: Tiefes Bücken, Dinge aufheben oder Herumwurschteln
1. Nutze die Punkte 1-5 der vorherigen Anwendung, um Dein Bücken vorzubereiten.
2. Nimm Dir jetzt vor, ein Objekt aus einer tiefer liegenden Position heraus oder vom Boden aufzuheben.
3. Erkenne, wie sich schon allein durch diese Intention Dein neuromuskuläres System vorbereitet und einen Sog erzeugt.
4. Hemme oder unterbreche diese Sogwirkung, indem Du vorgibst, keine Interesse an diesem Objekt zu haben. Und lasse zu, dass sowohl Dein Seh-System, als auch Deine Arme und Dein Schultergürtel eine starke Loslass-Wirkung in die Gegenrichtung zu der Position entwickeln, in der sich das Objekt Deiner künstlichen Begierde befindet.
5. Genieße jetzt die Dynamik des Auftriebs, den Deine Arme haben und die Offenheit Deines Seh-Weges nach hinten und nutze diese beiden als Richtungsanweisungen 5 und 6.
6. Spiel jetzt damit, 1, 2, 3, 4, 5 und 6 zu denken, bevor du die Knie nach vorne loslässt und Dich als Ganzes so nah an das Objekt heranbewegst und beugen lässt, bis deine Hand auf entspannte Weise zugreifen kann, ohne die Anbindung an den Rücken zu verlieren, und der Nacken und die Gelenke frei bleiben, während Du Dich von der Knochenstützkraft wieder in die aufrechte Position bringen lässt.
Anwendung 3: Hocken
1. Stelle einen leichten Stuhl auf einen glatten Boden vor Dich, so, dass die Sitzfläche zu Dir zeigt.
2. Nutze wieder die Anweisungen 1 bis 5 der ersten Anwendung, um eine Beugung in den Beingelenken zu verursachen, die jetzt Deine Knie in Berührung mit der Stuhlkante bringt.
3. Erlaube Dir durch Loslassen der Knie nach vorne und der Sitzhöcker nach hinten, den Stuhl wegzuschieben, bis Du nach vorne kippst und Dich mit Deinen Händen auf der Sitzfläche abstützen musst, damit Du das Gleichgewicht wiedererlangst.
4. Stelle Deine Arme lang auf die Sitzfläche auf und entlaste die Beine, denke "Nacken frei“, lass den Scheitel nach vorne und die Sitzhöcker und die Fersen weit nach hinten zeigen. Lass auch die Zehenspitzen und die Knie nach vorne zeigen, während die Wirbelsäule zwischen den Schulterblättern hängen darf. Der Scheitel zeigt zur Wand vor dir in der direkten Verlängerung der Wirbelsäulenrichtung.
5. Lass die Knie wieder nach vorne los und stütze Dich auf dem Stuhl ab, während Du ihn soweit nach vorne schiebst, wie deine Oberschenkel die Knochen in die Beugung hinein freigeben, bis Du mit beiden Fersen am Boden ankommst.
6. Wiederhole das Spiel mit den Richtungsanweisungen 1 bis 6 aus der zweiten Anwendung, während Du jetzt ohne Stuhl das Becken soweit nach hinten und die Knie so weit nach vorne lässt, bis sie entspannt den Boden berühren und Du zwischen Vier-Füßler-Stand und dem Nach-Hinten-Spazieren deines Beckens durch die Hände in die Hocke gehst, Schwerkraft und die Kraft genießt, solange Dir diese Streckung der Beinmuskulatur und Rückenmuskulatur Spaß macht.
7. Lass den Nacken frei, wenn Du Dich wieder leicht nach vorne neigst, um Gewicht auf die Arme zu bringen und Druck von den Beinen zu nehmen, während die Knochen Dir beim Öffnen der Beine bis zur vollständigen Länge verhelfen und Du wieder im Stehen und Gehen auf der Stelle ankommst.
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