Zugang zu den Tiefen unseres Seins
Bewegung ist die Bewusstseinsebene, die am meisten Transparenz und dadurch auch Offenbarungscharakter bezüglich unserer Persönlichkeit
und Gewohnheitsmuster in sich trägt. Unsere Aufmerksamkeit in Bewegung ist weniger fähig, ausschließlich auf eine Sache konzentriert zu sein und kann dadurch weniger Kontrolle für das Kaschieren von ungeliebten Tendenzen aufbringen. So
kann in Bewegung die Verortung von Aufmerksamkeit ebenso sichtbar werden, wie Auswirkung
ihrer Verlagerung und Transformation im Prozess der Bewegungssynthese. Unsere Aufmerksamkeit in Bewegung zu transformieren, verhilft unserem Selbstausdruck zu mehr Kraft, Direktheit, Tiefe,
Inspiration und Authentizität.
Unsere Aufmerksamkeit ist eine, wenn nicht sogar die Stelle, an der wir selbst am deutlichsten zum Ausdruck kommen. Aufmerksamkeit hat Bewegungen mit
ihren eigenen Rhythmen und Geschwindigkeiten. Die gewohnheitsmässige Verortung unser Aufmerksamkeit ist unterbewusst. In ihrer Steuerung gibt es die zwei Haupt-Komponenten: Einerseits der Aspekt oder die Frage des WOHIN. Der Ort an den wir unsere Aufmerksamkeit wenden, ist als machtvoller Einfluss bei der Gestaltung unserer Wahrnehmungsinhalte
und den Stimmungen, in die sie uns versetzen, bekannt. Der zweite, weniger berücksichtigte
und besprochene Aspekt liegt in der Art und Weise, wie wir unsere Aufmerksamkeit auf Dinge, Phänomene und Absichten richten.
- Nicht nur wo wir hinschauen sondern auch wie wir hinschauen bestimmt darüber was wir sehen und wie wir es uns damit gehen lassen.
Bei jedem wirklichen Veränderungsprozess, bei dem etwas neu gelernt, integriert, verinnerlicht oder losgelassen wird, findet immer auch eine feine
Veränderung in der Aufmerksamkeit statt. Erkenntnis und Verständnis führen zu Erleichterung,
Zuversicht und Freude. Deshalb haben tief greifende oder tief landende Informationen auch immer eine große Auswirkung auf unseren Stresspegel unsere Erregungsgewohnheiten und die Motivierung für unser
Handeln.
Unser Aufmerksamkeit lässt sich verlagern. Sie lässt sich präzise einsetzen, lässt sich ausdehnen und einschränken. Wir können sie verdichten und schärfen, genauso wie wir sie auflockern und stumpfer werden lassen
können. Wir können Sie dort lassen, wo sie ist, wir können sie schweifen lassen und wir können sie
ganz bewusst bewegen und ausrichten. Unsere Aufmerksamkeit ist deswegen so wichtig, weil sie unser Erleben bestimmt. Unser Denken, unser Fühlen unser Handeln, unser Wissen, unser In-Beziehung-Sein, unser gesamter Körper und unsere
Bewegungen werden davon bestimmt. Die Art und Weise, wie unsere Aufmerksamkeit konfiguriert ist, bestimmt auch, wie viel Druck und Gelassenheit in unserem Nervensystem am Werk ist.
Unsere Selbst-Entwicklung und Selbstbildung, wie auch die meisten Entspannungstrainings, sind meistens darauf ausgerichtet, einem spezifischen
Zustand oder einer Aktivität exklusiv unsere Aufmerksamkeit zu geben. In den seltensten Fällen haben wir dadurch Möglichkeit, bewusst zu üben, wie die Aufmerksamkeit aus einer Aktivität freigegeben und in eine andere hinein geleitet werden kann.
Wenn beispielsweise durch Kontemplation, Meditation, Transformation, Heilung oder Loslassen Frieden hergestellt wird und mehr Gelassenheit
entsteht, ist diese meist abhängig von dem spezifischen Kontext, in dem sie erschaffen
wurde.
Um tiefgreifende Veränderungen zu bewirken ist ein Kontakt mit allen Bewusstseinsschichten des Alltagsbewusstseins, des Unterbewussten sowie des
Unbewussten notwendig. Nur so können neue Qualitäten auf der Seins-Ebene etabliert
werden. Unser Sein ist der große gemeinsame Nenner, der all unser Wirken verbindet. An dieser Stelle sind wir auch mit Allem und Allen verbunden. Hierdurch ist es auch ein mystischer Ort. Um unseren zivilisierten Alltagspragmatismus zu kultivieren, haben wir auf sehr tiefen Ebenen Seins-Entkopplung in Kauf genommen. Dies ist einer der Gründe, weshalb es gefühlt eines unendlichen Ausmasses an der Rückverbindungsinitiativen bedarf, wenn wir versuchen, unserer tiefen Sehnsucht nach Ausgeglichenheit und innerem Frieden
nachzukommen.
Die inneren Orte unserer Aufmerksamkeit:
1. Unser Bewusstsein
Dies ist unser denkendes Wesen, der erkennende, bewusste und mentale Bereich des Alltagsbewusstseins und des Verstandes.
Auf dieser Ebene sind wir mit den beiden Komponenten des Wissens des Wahrnehmens und des Wahrgebens beschäftigt. Diese Art der Aufmerksamkeit
bietet die Möglichkeit, unser Handeln bewusst zu gestalten und bewusst zu hinterfragen,
wie erfolgreich die Rezepte sind, nach welchen wir unsere Realität kreieren.
Die Herausforderungen in diesem Bereich sind einerseits, die gute Gesinnung aufrecht zu erhalten und negative Wahrnehmungen nicht als Ausreden für
schlechte Gesinnung zu missbrauchen. Eine andere Herausforderung besteht darin, diesen Bereich nicht für den einzigen zu halten, der unsere Wirklichkeit beeinflusst und nicht auf negative Weise Anspruch darauf zu
erheben, ausschließlich gute Erfahrungen machen zu müssen, beziehungsweise jedesmal, wenn eine
schlechte Erfahrung entsteht, Schuldgefühle auszulösen.
2. Unser Emotionalraum
Dieser Bereich ist eine wichtige Brücke zwischen dem Bewussten und dem Unterbewussten.
Es ist ein Ort an dem wir Liebe, die im vorherigen Bereich mehr in Form von Entschlossenheit, Zustimmung und Engagement spürbar ist, zu einer tiefen Erfahrungen werden lassen können. Der Emotionalraum ist
oft sehr stark abgegrenzt und entkoppelt und wird deshalb in seiner Mitgestaltungswirkung
unseres Erlebens oft völlig unterschätzt. Ein guter Zugang zu diesem Erfahrungsraum ruft auch nach seiner Kultivierung und dem reifen Umgang mit seinen Inhalten. Oft nutzen wir die Erinnerungen an den unreifen Umgang mit den Inhalten unseres Emotionalraums aus unserer Kindheit, um diesem Bereich zu verbarrikadieren, anstatt den Mut
aufzubringen, uns zu tiefer Liebe und Intimität zu entwickeln. Negative emotionale Impulse können
unsere Aufmerksamkeit extrem sabotieren. Andererseits ermöglicht der wache und gute Kontakt mit unserem Stimmungsbarometer das bewusste erlebnismäßige Verorten in stimmungsmäßigen Hochfrequenzen. Glück, Freude,
Begeisterung, Zuversicht, Liebe und Frieden gehören als Erfahrungen in diesen
Frequenzbereich.
3. Unser Körper
Wie die anderen Bewusstseinsebenen sind auch hier die Muster unserer frühsten Kindheit und teilweise auch Seelenmuster aufs Genaueste abgespeichert
und bilden einen reichhaltigen Potenzialraum für tiefgreifende Veränderung von der
Qualität unserer Verkörperung über die Körperstellung bis hin zu Zellerneuerung und Stoffwechsel.
Unsere zelluläre Lebendigkeit und das Ausmaß, indem wir ihr Platz in unserer sensorischen Wahrnehmung geben, bestimmt über das Ausmaß an
zufriedenem Selbst-Kontakt und Selbst-Verkörperung. Körperbewusstsein stellt das beste Gegenmittel zu allen Formen mangelnder Selbstwahrnehmung bis hin zur chronischen Problemen und körperlichen Schmerzen sowie Verletzungen dar. Ein gutes
Körperbewusstsein ist damit die nachhaltigste Quelle für kraftvolle, zufriedene und
authentische Bewegungen.
4. Unsere Bewegung
Bewegung ist die am meisten verkannteste Seinsform. Meistens wird sie als Mittel genutzt, um unser Körpererleben zu aktivieren oder zu
beeinflussen. Dabei wird sie typischerweise als bewusst geplante Handlung angesehen, die mit Kraft
ausgeführt werden muss, meistens auch in der Überwindung von Widerständen und Schwerkraft, sehr stark beeinflusst durch das mechanistische Weltbild.
Selten wird Bewegung als etwas Gegebenes wahrgenommen, das auch jenseits unserer bewussten Aktivität erfolgreich stattfinden kann. Bewegungen
werden meistens nur im direkten Ausführungsmodus bewusst gemacht. Dadurch wird die Reiz-Reaktionsdynamik, die hauptsächlich die motorischen Komponenten von Bewegung in die
Aufmerksamkeit bringt einseitig betont. Wenn Bewegung als Eigendynamik erkannt und eingeladen werden, kann Ebenbürtigkeit zwischen willkürlicher und unwillkürlicher Bewegungsaktivität entstehen. Durch dieses Vorgehen lässt sich eine inspirierte und authentische Körperdynamik und Bewegungssprache entwickeln, die durch ein hohes Mass an
Offenbarungscharakter, Echtheit und Wohlbefinden gekennzeichnet ist.
So ein „Inspirierter Körper“ bietet in seiner Bewegung mehr als das gelernte, mehr als das gewollte, mehr als das, was man versucht zu vermeiden. Er
offenbart immer neue kreative Komponenten unseres Seelenreichtums und Potenzials. Er
lässt unseren authentischen Selbstausdruck erstrahlen und uns immer wieder über die Langeweile, des Konventionalismus und die Ängste, auf denen sie beruhen, hinaus reichen und uns davon befreien.
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