Beinfreiheit und Beschleunigung durch Loslassen
Das Ausmaß an unbewusster Spannung, Druck und Steifheit, das wir im Rahmen unseres Alltags in den Beinen aushalten, ist groß. Die meisten Bewegungsaktivitäten sind durch mehr oder weniger dringliche Absichten und unbewusste Reaktionsmuster ausgelöst und ausgeführt. Auch im Sitzen und der Arbeit am Computer oder bei anderen Tätigkeiten sind wir oft unter Strom und die Beine müssen uns, unser Becken und unseren Oberkörper mit Druck hoch- und aufrechthalten beziehungsweise nach unten ankern. Auch bei den sportlichen Aktivitäten in der Freizeit setzten sich diese Programmierungen in Bewegung fort und vermindern unsere Bewegungseffizienz und verschleißen unsere Gelenke. Druck und Verkürzungen, die nicht notwendig sind, führen unter anderem dazu, dass wir Beine, Füße und Becken - in Bewegung wie auch Ruheposition - immer weniger der Schwerkraft überlassen. So hemmen wir unabsichtlich die dynamischen Auswirkungen der Erdanziehung und lassen den Fuß nicht so einfach und direkt "runter", wie es möglich wäre und das Bein nicht so schnell in die Länge, ohne nach unten zu treten. Es fehlt uns oft an einem Gefühl für unser Gewicht und unsere Masse.
Wenn wir unsere Masse und Schwerkraft bewusst wirken lassen, haben sie erleichternde und hilfreiche Auswirkung auf unsere Körperstellung und Bewegung.
In Bewegung wie in Ruheposition ist der ungestörte Kontakt mit dem Boden oder der jeweiligen Unterlage Voraussetzung dafür, dass die Füße ihre Anker- oder Wurzelfunktion ausüben können. Das Ausmaß an Gelassenheit in unseren Füßen hat maßgeblichen Einfluss auf unsere Standfestigkeit.
Wir können Entscheidungen über unseren Körper, mit ihm und aus ihm heraus treffen. Die Alexander-Technik lehrt uns, wie wir uns aus uns heraus dafür entscheiden können, auf eine Weise verkörpert zu sein, die uns gefällt.
1. Coole Füße
Ein Fuß, den wir in Ruhe lassen können, passt sich dem Umfeld, dem Untergrund und allen bewegungsmäßigen und anderen Herausforderungen direkt optimal an. Das führt dazu, dass die Kontaktfläche mit dem Boden die optimale Größe erreichen kann. So wird das optimale Maß an Tragkraft erzeugt, das notwendig ist, um uns in den jeweiligen Positionen zu stützen und den nächsten Schritt in perfekter Abstimmung mit der Gesamtkoordination zu ermöglichen.
Wieso Cool?
Uns in Ruhe oder "Sitzen" zu lassen stärkt das Bewusstsein und die Fähigkeit zur Selbstorganisation unserer Körperstellung. Es handelt sich dabei um die bewusste Entscheidung den unbewussten Druck, der da ist zu reduzieren und uns in einem bestimmten Bereich weniger zusammen zu nehmen. Die verschiedenen Strukturen und Systeme, die für unser Gleichgewicht, unsere Bewegungsabläufe und Koordination verantwortlich sind, können sich dadurch optimal an die jeweilige Situation anzupassen. Unser Gleichgewicht kann sich dann so gut wie möglich herstellen und alle Zusatzleistungen, die auf Muskelebene notwendig sind, können auf sinnvolle, vertrauenswürdige und körperintelligente Weise stattfinden. Ein sitzender Fuß kann wie eine Katzenpfote in optimaler Geschwindigkeit Kontakt eingehen, Trag- und Stützkraft empfangen und wieder in Windeseile seinen Standort aufgeben oder loslassen, wenn der nächste Schritt ruft. Das erzeugt unter anderem viel Leichtigkeit in Bewegung.
2. Cooles Becken
Das Becken hat die wichtige Funktion als Körpermitte. Die Art und Weise, wie wir mit uns in unserem Becken sind, bestimmt, in welchen Ausmaß wir unseren Schwerpunkt für unsere Fortbewegung nutzen können und wie schnell und direkt wir die Veränderungen vonstatten gehen lassen, die durch die Verlagerung unseres Schwerpunktes und Zentrums von einem Bein auf das andere nötig sind. Der Kontakt, den wir dem Becken erlauben mit unseren Beinen zu haben, bestimmt, wieviel Auftrieb unsere Beine uns geben können. Dies hat einen großen Einfluss darauf, wie schnell unser Bein in die Länge entlassen wird, wie direkt dadurch der Fuß aufsetzen und die Stützkraft vom Boden wieder beim Becken und Oberkörper auf dem Weg zum Kopf ankommt. Unser Becken sitzen zu lassen stärkt auch die innere Stabilität unserer Hüftgelenke. Diese Stabilität und das Vertrauen nach unten bedingen sich gegenseitig und geben uns Ruhe im Stehen und Beinfreiheit in Bewegung. Ein sitzendes oder cooles Becken ist eine optimale Heimat für die volle Größe und Weite des Kreuzbeins und erlaubt damit einen offenen und weiten unteren Rücken. Unser Becken in Bewegung "sitzen" zu lassen gibt unseren Schwerpunkt in die gewünschte Richtung frei und erzeugt so mühelose Beschleunigung.
3. Freche Knie
In dem Ausmaß, in dem wir zulassen, dass die Beine das Becken tragen, geben wir unseren Knien die Erlaubnis, in die Vorwärtsrichtung unserer Bewegung zu streben. Wir können den Knien förmlich erlauben „auszubüchsen“ und neugieriger oder frecher zu werden. So bekommen sie größeren Einfluss auf die Gestaltung und Führung unserer Schritte. Dadurch wird mehr Energie in den Raum vor uns frei gesetzt, beziehungsweise projiziert und die Bewegung bekommt mehr innere Richtung. Jenseits von angestrengter Muskelaktivität und Gewohnheit kann so eine wohlproportionierte Abstimmung unserer Schritte in allen Bewegungen kultiviert werden. Wenn die Kniestrecker-Muskel alleine die Schrittgröße bestimmen, wird der Schritt oft zu groß und die Ferse schlägt zu hart auf. Freie und freche Knie ermöglichen stattdessen, dem Unterschenkel im Bewusstsein seines Gewichts nach vorne zu schwingen und den Fuß im gleichen Bewusstsein mit sich zu bringen. Fuss und Unterschenkel werden so auch zum Teil durch ihr Eigengewicht nach unten gebracht bevor dass Spielbein durchgestreckt ist und jeder Schritt kann in guter Verbindung mit dem Rücken passieren.
Coole Füße, cooles Becken, freche Knie ist ein einfacher Schlüssel um in jeder Position, Situation und Bewegung, Vitalität, Dynamik und Ausrichtung frei zu setzten.
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